Wie aus guten Ideen böse Geschichten werden

nebliger wald

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Ich schreibe ja bekanntermaßen nicht nur Horror (vgl. „Das Alison-Szenario“, „Susan“), aber im Augenblick arbeite ich ausschließlich an gruselig-surrealen Geschichten. Dabei ist für mich eine Sache gleichermaßen aufregend wie faszinierend: das Ausarbeiten einer „bösen“ Grundidee für die Geschichten. Dabei ist „böse“ nicht wörtlich zu nehmen, ich meine eher so eine Art Grundthema, das natürlich in meinen Geschichten letztlich doch immer schräg und mehr oder weniger fies ausfällt. Sagen wir, ich habe eine Grundidee wie in „Endstation“ (grundlegend war es wirklich nur eine sehr kurze Sequenz, nämlich die mit der Hand). Diese Szene war von Beginn an quasi das Zentrum des Plots, auch wenn für den Leser kaum klar wird, dass die Geschichte aus dieser Perspektive entstand. Ich habe dann also eine Idee, die ja allein bei weitem noch keine ganze Geschichte ausmacht. Es müssen also weitere Stränge her, die irgendwie sinnvoll in Beziehung zueinander stehen. Langsam entspinnt sich dann während des Plottens, also des grundsätzlichen Absteckens der Geschichte, ein Netz aus verschiedenen Elementen. Charaktere werden geboren, das Setting verdichtet sich und am Ende ist alles viel komplexer als im allerersten Entwurf.

Doch was macht eine gute Idee letztlich zu einer horrortauglichen, „bösen“ Idee? Grundsätzlich ist das ganz einfach. Surreale Elemente, Dinge, die nicht so sein können, wie der Protagonist sie erlebt, durchaus auch klassische Gruselelemente und eine gewisse schräge Erzählweise in Kombination ergeben dann Szenen, die voller Überraschungen stecken und gleichzeitig spannend sind. Spoiler: Die Kofferszene in „23b“ bietet aus meiner Sicht genau das: eine Kombination aus überraschenden Elementen, einen wirklich bösen Twist und eine gute Portion Blut und Gedärm. Ich empfinde es als Herausforderung, diese Elemente so zu dosieren, dass der Spannungsbogen der Geschichte nicht leidet und sie trotzdem kurzweilig und flüssig zu lesen ist. Ein Schocker am nächsten ist ebenso öde wie eine endlos lange Erzählung ohne irgendwelche Höhepunkte.

Manchmal bastle ich sehr, sehr, sehr lange an Plots für Geschichten herum, bis sie vom Komplexitätsgrad und vom Überraschungsfaktor meinem Anspruch genügen. Das ist nicht einfach. Daher dauerte die Fertigstellung von „Endstation“ auch ewig, mit „Dunkler Ort“ bin ich auch noch nicht fertig. Kürzere und linearere Geschichten wie „Zimmerservice“ oder „Filetstück“ gehen leichter von der Hand, aber auch sie dauern einfach ihre Zeit in der Entstehung. An vielen Stellen der Plots stelle ich beim kritischen Prüfen fest, dass es hier und dort noch etwas düsterer, gemeiner oder einfach komplexer sein muss, damit es mir wirklich gefällt … und schon macht die Geschichte einen Schwenk in eine andere Richtung, der Handlungsbogen wird komplexer, die Story besser, aber der Aufwand steigt exponentiell. In „Endstation“ ist ja nicht nur die Geschichte an sich vertrackt, sondern auch der Aufbau der Geschichte selbst ist komplexer, als man es beim ersten Durchlauf vielleicht mitbekommt. Im konkreten Fall äußerte sich das sogar so, dass ich den Plot aufzeichnen musste, so richtig mit Stift auf Papier, damit die vielen kleinen Elementchen auch wirklich zueinander passen. „Endstation“ sollte man wirklich mehrmals lesen, ich sag’s nur.

Und ich wäre nicht der Autor, der ich bin, wäre da nicht auch noch eine Metaebene, die die allermeisten meiner Geschichten miteinander verbindet. Oft wird das nur an Details deutlich, doch ich denke mir schon was dabei, so ist das ja nicht. Die Großstadt, in denen meine Geschichten spielen, ist in jeder Geschichte dieselbe. Somit müssen die Grundideen irgendwie kompatibel sein, ich kann also nicht in einer Geschichte etwas einführen, was im Kontext einer der anderen absolut keinen Sinn ergibt. Besonders die Ereignisse, die miteinander direkt verbunden sind (nein, nein, ich spoilere hier nicht), müssen logisch aufeinander abgestimmt sein.

Das Zusammenbasteln eines Plots, das Abschmecken mit etwas Blut hier, etwas verrücktem Kram dort und natürlich die allseits beliebten Twists (die immer unerwartet kommen sollten, was mehr und mehr unmöglich scheint, je länger man Geschichten schreibt, da man sich ja nicht ständig wiederholen mag) müssen miteinander harmonieren. Klingt einfach, ist aber für mich geistige Schwerstarbeit. Ausrede für’s langsame Schreiben? Vielleicht. Solange mir das Feedback zu meinen Geschichten jedoch zeigt, dass sie sehr gut ankommen, mache ich vielleicht doch das meiste richtig.

Aber zukünftig mehr zu schreiben, klingt trotzdem nach einer guten Idee, nicht wahr?


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