Die Vorzüge des Unglücklichseins


Glücklich sein – was heißt das eigentlich? Was ist Glück? Ist es Erfolg? Ist es ein Zustand, ein Gefühl oder etwas völlig anderes? Um das Unglücklichsein verstehen zu können, muss ich wohl damit beginnen, was es für mich bedeutet, Glück zu empfinden. Glück ist dabei mehr als ein mir zufällig wohlgesonnenes Schicksal, soviel steht fest. Doch was würde ich auf die Frage antworten, was mich glücklich macht? Zunächst vielleicht, dass mir Erfolg, Geld, Anerkennung und dergleichen zwar etwas bedeuten, sie aber vor dem eigentlichen verblassen, was für mich Glück bedeutet: diesen einen anderen, ganz besonderen Menschen gefunden zu haben, der sein Leben mit mir verbringen möchte. Klingt einfach, nicht wahr? Heißt es nicht, dass es zu jedem Topf einen Deckel gäbe?

Ich habe mich schon oft gefragt, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, mein Empfinden für Glück auf etwas anderes als die perfekte Person an meiner Seite auszurichten. Es gelingt mir nicht. Beruflicher Erfolg bedeutet, dass ich meine Miete zahlen kann. Künstlerischer Erfolg bedeutet derzeit, dass ich positives Feedback von den Menschen bekomme, die meine Geschichten lesen. Ja, das ist schön, vermag aber nicht diese eine Stelle in mir zu füllen, die auch als Bestsellerautor noch brachläge. Ja, Geld zu verdienen ist schön, für berufliche Leistungen gewertschätzt zu werden auch, aber emotional bedeutet mir das alles nichts. Wirklich gar nichts. Ist das normal? Sollte das so sein? Ich habe das Gefühl, dass es vielen Menschen anders geht. Sie jagen der „Karriere“ hinterher (was immer das sein soll), wollen höhere Positionen erklimmen, Personalverantwortung oder sonstwas ergattern, um dann … ja, um genau was eigentlich damit zu tun? Das habe ich mich schon immer gefragt.

Der Faktor für mein Glücklichsein ist also dieser andere Mensch, nicht irgendeiner natürlich, sondern diese eine richtige Person. Sie zu finden scheint eine unmögliche Aufgabe. Mehrere Umstände machen es schwierig. Zum einen habe ich einen recht speziellen Geschmack, was Menschen angeht. Damit meine ich nicht unbedingt das Äußere (wobei ich gegen ein Karen Gillan-Lookalike nichts einzuwenden hätte), sondern vielmehr das Wesen darunter. Wenn ich mir die Frauen ansehe, in die ich mich verlieben könnte, sind bestimmte Muster in ihren Persönlichkeiten zu erkennen. Nicht alle davon sind unbedingt begrüßenswert. Man hat ja hin und wieder ein Beuteschema, das nicht in jeder Hinsicht „gesund“ ist, so rein seelisch gesehen. Sich dann doch immer wieder Menschen auszusuchen, unterbewusst wohlgemerkt, die dieselben charakterlichen Merkmale und Schwächen haben, wirkt beinahe wie Vorsehung.

Lange ohne diese eine Person zu sein, führt bei mir dazu, dass ich unglücklich werde. So sehr ich das Alleinsein schätze, so sehr ich mich daran gewöhnt habe, unabhängig zu sein, so sehr fehlt mir dieses Gegenstück in einem anderen Menschen. Vielleicht schreibe ich deshalb in meinen Geschichten fast ausnahmslos weibliche Charaktere, die alle auf ihre Art für mich infrage kämen, gäbe es sie denn in wirklich. Jeder Mensch hat wohl Strategien, mit dem Gefühl des Unglücklichseins umzugehen. Manche flüchten sich in wilde Abenteuer mit irgendwem, andere sprechen Drogen zu, wieder andere versuchen sich an Poly-Beziehungen, die aus meiner Sicht in einer Vielzahl der Fälle nichts anderes als der Versuch sind, sich nicht festlegen zu müssen und dennoch kurzfristig glücklich zu sein. Selbsttäuschung, in meinen Augen. Aber das ist natürlich nur meine Meinung und ich erhebe nicht den Anspruch, die Wahrheit gepachtet zu haben. Ich habe keine solche Strategie. Mit irgendwem ins Bett zu hüpfen, um mein blutendes Herz zu trösten … das funktioniert nicht. Sich in die Arbeit stürzen, ja, das hilft kurzfristig. Aber eine Lösung ist es nicht.

Doch vielleicht gibt es auch positive Aspekte daran, sich seelisch kaputt zu fühlen. Aus künstlerischer Sicht kann ich sagen, dass ich meine besten Arbeiten zustande bringe, wenn es mir schlecht geht. Gleichzeitig ist dieser Zustand auf Dauer selbstzerstörerisch, soviel habe ich gelernt. Meine Strategie des Umgehens mit unerfüllter Liebe hat sich stark gewandelt. Wäre ich früher diesem einen Menschen so lange ich konnte nachgelaufen, so habe ich erkannt, dass das natürlich auch nur Selbstbetrug ist. Was machst du, wenn sie dir sagt, dass sie dich toll findet, dass du alles hast, was sie sich im idealen Partner vorstellt und sich dennoch nicht in dich verliebt hat? Hoffen? Warten? Luftschlösser bauen? Nein. Ich weiß, wie unwahrscheinlich es ist, dass Gefühle, die nicht da sind, plötzlich spontan entstehen. Daher verabschiede ich mich von ihr, sage, was ich fühle, damit ich es nicht mit mir herumtragen muss. Danach breche ich alle Brücken ab. Weil es nicht anders geht.

Und dann erkenne ich, dass das Unglücklichsein doch etwas Gutes hat. Ich denke über mich nach, über meine Gefühle, darüber, warum ich so empfinde. Nicht, dass ich daran wirklich etwas ändern könnte, aber allein die Erkenntnis, dass einzig die Ausblenden-und-Vergessen-Methode für mich als Bewältigungsstrategie gut funktioniert, ist ja schon was wert. Schließlich, und das darf nicht vergessen werden, führt meine aktuelle Stimmung auch dazu, dass ich viel andere Musik höre als sonst. Altes, neu entdeckt, Neues, als Erweiterung des Horizonts. Nur bei Stücken, die ich in irgendeiner Weise mit jemandem assoziiere, dem ich emotional nachtrauere, sollte ich vorsichtig sein.

So gesehen, hat das Unglücklichsein wirklich einige Vorzüge, wenngleich ich diese aktuell nicht unbedingt zu schätzen weiß. Oder ich belüge mich selbst und unglücklich sein ist einfach Scheiße.

Wer weiß das schon so genau.

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